Bitte stelle dich kurz vor: Wer bist du, was hast du bisher gemacht und wie kamst du zu MINDS medical?
Ich bin Lukas Naab (36), Co-Founder und Geschäftsführer von MINDS medical. Bei MINDS medical bin ich für das Business Development und den Vertrieb zuständig. Mein Co-Founder Matthias Bay hat die technische Seite im Griff. Von Haus aus bin ich Vergleichender Religionswissenschaftler und Politologe, habe aber bis zum Physikum Medizin studiert. Vor MINDS medical habe ich lange an der Uni gearbeitet und war dann im Quereinstieg als Lehrer tätig. Dabei habe ich viel über das Verkaufen von Inhalten gelernt. Sich jeden Tag vor eine Klasse zu stellen und 13 bis 15-Jährige Halbstarke von Dingen zu begeistern, die sie noch nicht kennen, ist einem Sales Gespräch nicht unähnlich. Ich hatte schon länger die Idee zu MINDS medical und habe Matthias dann gefragt ob er nicht mitmachen will. Mitte 2016 haben wir dann gemeinsam gegründet.
Wie kam es zur Gründung und was zeichnet MINDS medical aus?
Ich kann inneffiziente Prozesse nicht ausstehen. Aus meiner Zeit als Medizinstudent wusste ich, dass Krankenhäuser immer noch Ärzte dafür einsetzen, um die Krankenakten händisch zu Kodieren. (Dokumentierte Erkrankungen und Behandlungen werden in alphanumerische Diagnoseschlüssel, ICD-10, umgewandelt und z.B. für die Abrechnung genutzt). Ich habe Matthias irgendwann von dem Problem berichtet und Ihn gefragt, ob und wie das technisch zu lösen sei. Wir haben uns dann entschieden mit einem EXIST-Stipendium die Gründung zu wagen, die wir dann Mitte 2016 auf den Weg gebracht haben. Mit MINDS medical wollen wir einen Beitrag dafür leisten, dass die Verwaltung unseres Gesundheitssystems schneller und besser wird. Unsere Mission ist also ganz einfach. – Mehr Zeit für Menschen. Wir lösen dieses Problem über den Einsatz von Machine Learning und Natural Language Processing. Aber am Ende geht es darum Menschen wieder in den Mittelpunkt zu stellen.
Was fasziniert dich am Gründen und was zeichnet für dich ein erfolgreiches Startup aus?
Gründen war für mich immer nur ein Mittel zum Zweck, um ein Thema voran zu bringen, dass mich nicht los lässt. Erst als wir gegründet hatten, ist mir bewusst geworden wie viel Freude es mir macht der eigene Chef zu sein. So habe ich die Möglichkeit mich tief in Dinge hineinzudenken, um wirklich Lösungen zu entwickeln und neue Wege zu gehen, die so noch niemand gedacht hat. Erfolg kann man sehr unterschiedlich definieren, aber in erster Linie ist ein Startup ein wirtschaftliches Unternehmen und kein Hobby. Entsprechend ist für mich ein erfolgreiches Startup ein junges Unternehmen, das ein bestehendes Problem oder Bedürfnis löst und es schafft diese Lösung nachhaltig am Markt zu etablieren. Ob mit oder ohne Exit, als IPO oder wie auch immer, ist dabei vollkommen nebensächlich. Persönlich finde ich, dass man dieses Ziel ehrlich und nicht auf Kosten anderer erreichen sollte. Dazu gehört die Verantwortung für Mitarbeiter, Kunden und seine Umwelt.
Welches Erlebnis war bisher das bedeutsamste bei MINDS medical?
Die Transformation von Idee zum Produkt. Das ist natürlich ein langer Prozess, der nie ganz zu Ende ist, aber vielleicht war der Abschluss der ersten Verträge mit zahlenden Kunden dieses Aha! Erlebnis. Da wurde mir bewusst, dass wir nicht nur eine Idee haben, sondern dass wir eine richtige Firma geworden sind. Ähnlich war es das erste Geld von Investoren zu bekommen und die ersten Mitarbeiter einzustellen, aber am Ende sind das nur die logischen Konsequenzen von der Umsetzung einer Idee zu einem Produkt.
Was war deine bisher wichtigste Lesson Learned, die du anderen Gründer mit auf den Weg geben möchtest?
Es dauert immer länger als man denkt und man muss immer einen Plan in der Hinterhand haben. Wir haben auf die harte Tour gelernt, dass Hoffnungen und Ängste schlechte Ratgeber sind. Es kommt also darauf an die Dinge proaktiv zu gestalten und den Mut zu haben andere Wege zu gehen.
Gerade im B2B Sales ist es außerdem extrem wichtig ein starkes Netzwerk aufzubauen, dass dabei hilft die richtigen Kontakte zu den Entscheidern zu bekommen. Ein gutes Beispiel dafür ist vielleicht das Netzwerk der Goethe Universität Frankfurt, die uns am Anfang nicht nur die Räumlichkeiten im Unibator zur Verfügung gestellt hat. Die private Hochschulförderung ist ein wichtiger Knotenpunkt zwischen Universität und Wirtschaft, die uns den Zugang zu manchem relevanten Entscheider gebracht hat. Nicht jeder Netzwerk-Lunch ist ein Erfolg, aber wenn die richtigen Leute zusammensitzen ergibt sich eben doch häufig etwas.
Bitte vervollständige folgenden Satz: Frankfurt ist für mich…. Heimat. Ich habe mir ein paar andere Orte auf der Welt angeschaut, aber ich freue mich immer wieder in Frankfurt anzukommen. Meine Geschwister leben auch in Frankfurt, meine Eltern nahe in Neu-Isenburg. Ich genieße es, dass Frankfurt gleichzeitig Großstadt und Dorf ist.
Was zeichnet Frankfurt als Standort für Startups aus?
In erster Linie sind alle Wege in Frankfurt kurz. Mit dem Bahnhof, dem Flughafen und den ganzen Gründer Initiativen gibt es eigentlich keinen Grund mehr nach Berlin oder London zu gehen. Außerdem wird in Frankfurt zuerst hart gearbeitet und dann gefeiert. Das ist meistens Produktiver als anders herum.
Natürlich sind die Mieten hoch und die Talente teuer, aber wenn man ein bisschen kreativ wird lassen sich fast immer Lösungen finden. Aus meiner Sicht gibt es auch, zumindest für die erste Phase einer Gründung, genug Kapital von Investoren und Fördermittel. Wenn ein Startup dann größer wird, muss man sich ggf. etwas weiter orientieren, aber das ist kein struktureller Nachteil für Frankfurt.
Die Stadt Frankfurt zeigt mit der Wirtschaftsförderung ihr Interesse Gründungen zu fördern. Das ganze Team ist unheimlich engagiert und macht einen richtig guten Job, wenn es darum geht die notwendigen Netzwerke bereit zu stellen und den Startups eine Plattform zu geben.
Manchmal habe ich das Gefühl, dass das die richtig großen Investoren Frankfurt noch gar nicht auf dem Schirm haben, wenn es darum geht tolle Teams und neue Lösungen zu unterstützen, die den Schritt ins Scale Up machen wollen und können. Vielleicht müssen wir in Frankfurt noch lernen uns ein bisschen besser zu verkaufen.
Gib uns bitte eine Empfehlung für einen Blog / eine Newsseite / ein Fachmagazin, das dich (zu Fachthemen) inspiriert?
Da ich wenig Zeit zum Lesen habe, habe ich angefangen im letzten Jahr viele Podcasts zu hören. A16Z ist mit Sicherheit einer der Spannendsten Podcasts wenn es darum geht neue Technologien erklärt und Insights zum Gründen zu bekommen. Für den Bereich eHealth kann ich den eHealth-Podcast von Christian Wache, Renato Dambe und Bernhard Breil empfehlen.
Mit welchem Experten würdest du am liebsten einen Tag lang zusammenarbeiten, und warum?
Elon Musk wurde glaube ich schon in einem anderen Interview gesagt…?
Mir fällt ehrlich gesagt keine bestimmte Person ein, aber ich habe großen Spaß daran mit Experten zusammenzuarbeiten, die über ihren Tellerrand schauen und dabei versuchen ihre Arbeit immer besser zu machen. Titel und Erfolge aus der Vergangenheit sagen nicht viel aus. Wichtig ist, dass man dranbleibt.
Woran sollen sich die Leser dieses Interviews erinnern?
Jeder Prozess ist (hoffentlich) irgendwann einmal für Menschen entwickelt worden, er hat also keinen Selbstzweck. Wir sollten uns regelmäßig die Frage stellen, warum wir Dinge auf eine bestimmte Art und Weise machen. Kommt dabei heraus, dass der einzige Grund dafür ist, dass „man das schon immer so gemacht hat“, ist es Zeit ans Reisbrett zu gehen, um zu evaluieren, ob es noch zeitgemäß ist. Das kann jeder von uns täglich auf der Arbeit, zu Hause oder im Verein tun. Mir hilft diese Selbstreflexion dabei „wach“ zu bleiben. Nicht alles muss über den Haufen geworfen werden und ständig optimiert werden. Aber diese Entscheidung dann bewusst zu treffen ist für mich sehr viel wert. Große Organisationen tun sich damit sehr schwer, aber häufig haben sie den größten Vorteil, wenn sie sich regelmäßig dieser Herausforderung stellen.