CEO Alexis Rawlinson im Interview
Bitte stelle dich kurz vor: Wer bist du, was hast du bisher gemacht und wie kamst du zu Field Buzz?
Ich bin Alexis Rawlinson, bin halb-Franzose, halb-Engländer, wohne aber seit 2008 mit meiner Familie in Frankfurt.
Früher habe ich unter anderem als Unternehmensberater bei Oliver Wyman gearbeitet, aber vor allem war ich als Projekt-Manager in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit („EZ“) tätig. Ich war zum Beispiel zwei Jahre im Handels- und Industrie-Ministerium Mozambiks als beigeordneter Volkswirt beschäftigt, oder war Teil des Gründungsteams von Yunus Social Business, einem Inkubator und Investor in soziale Startups in mehreren Entwicklungsländern.
Nun ist es kein Geheimnis, dass nicht alle Projekte in der „EZ“ rund laufen und erfolgreich sind. Viele gute Ziele werden erreicht, die zu verbesserten Lebensbedingungen führen, aber es gibt auch eine Menge Herausforderungen, die die Arbeit erschweren können.
Ich habe mich allerdings, vielleicht aufgrund meiner früheren Erfahrung als Unternehmensberater, besonders für organisatorische Dysfunktionen in EZ-Projekten interessiert. Mir fiel immer wieder auf: Viele Projekte und Einsätze sind gut konzipiert, aber gehen schief sobald man versucht nach der überschaubaren Pilot-Phase zu skalieren und Projekte großflächig im Feld umzusetzen. Die meisten Organisationen mit geografisch verstreuten Aktivitäten und Mitarbeitern in Entwicklungsländern sind noch immer auf papier-basierte Arbeitsprozesse angewiesen. Die Datenerhebung ist oft langsam, intransparent, fehler- und korruptionsanfällig. Die Organisationen tun sich deshalb schwer, nachhaltig zu wachsen, um mehr Menschen zu erreichen. Daraus ergab sich meine Idee, die Verbreitung des mobilen Internets und der wachsenden Verfügbarkeit preiswerter Endgeräte als Zugpferd zu nutzen, um Organisationen zu ermöglichen, ihre weitläufig verteilten Geschäftstätigkeiten in entlegenen Regionen effektiver zu managen. Und daraus entstand die Smartphone- und Web-basierte Software Lösung „Field Buzz“.
Wie kam es zur Gründung und was zeichnet Field Buzz aus?
Mit dieser Idee (nur ungefähr, noch ziemlich schwammig!) im Kopf bin ich 2013 nach Bangladesch gereist und habe dort zwei Jahre verbracht, um einen guten „Product-Market Fit“ zu finden und Field Buzz ins Leben zu rufen. Zum Glück habe ich dort meinen Co-Founder Habib Ullah Bahar, einen unternehmerischen Softwareentwickler, getroffen. Zusammen haben wir die ersten Prototypen gestaltet und gebastelt, die ersten Pilot-Kunden gewonnen. Anfang 2015 haben wir zusammen die Firma als GmbH in Frankfurt, mit Ltd Tochterunternehmen in Bangladesch, offiziell gegründet. Mittlerweile sind wir 46 multikulturelle Kollegen in den Standorten Dhaka und Frankfurt sowie in bestimmten Projektregionen weltweit.
Um die oben beschriebenen Herausforderungen zu lösen, verwenden unsere Field Buzz-Systeme Smartphone-Apps und eine webbasierte Management- und Reporting-Plattform, die speziell auf die erschwerten Rahmenbedingungen in Entwicklungsländern zugeschnitten sind. Eines unserer Alleinstellungsmerkmale im Vergleich zu herkömmlichen und weit verbreiteten Enterprise-Resource Planning (ERP), Customer Relationship Management (CRM) oder Field Force Automation (FFA)-Softwares ist unser fundiertes Verständnis der Anforderungen und Einschränkungen von Organisationen in Entwicklungsländern, auf dessen Grundlage wir unser System aufgebaut haben.
Unsere Technologie ist flexibel genug, um für sämtliche typische „Außendienstmitarbeiter“-Aktivitäten genutzt zu werden. Dazu gehört beispielsweise die Registrierung von Kunden, Kleinbauern oder Leistungsempfängern in ländlichen Gebieten oder Slums, die Rückverfolgbarkeit von Agrarprodukten, die Nachverfolgung von Lieferungen, Mikrofinanzdienstleistungen sowie auch die Durchführung von Inspektionen, Umfragen und Auswertungen. So nutzen Außendienstmitarbeiter auf der einen Seite unsere maßgeschneiderten Android-Smartphone-Apps, um ihre Aktivitäten während jedes Arbeitstages aufzuzeichnen. Auf der anderen Seite können Manager in der jeweiligen Zentrale über eine webbasierte Reporting- und Management-Schnittstelle auf das System zugreifen und die über die App eingespeisten Informationen einsehen, bearbeiten und entsprechend steuern/führen/managen. Dieses System ermöglicht so die effiziente Überwachung und Steuerung laufender Feldaktivitäten.
Zu unseren Kunden zählen heutzutage unter anderen führende EZ-Organisationen wie UNDP, die KfW Entwicklungsbank, Welthungerhilfe, BRAC, aber auch weltweit tätige Konzerne mit Aktivitäten in schwer erreichbaren Regionen, wie Neumann Kaffee Gruppe, Unilever und Danone. Wir arbeiten gerade mit Hochdruck an der Anpassung unseres Systems und Businessmodells hin zu einer skalierbaren „Software-as-a-Service“ Lösung, die schneller für neue Projekte und in neuen Regionen ausgerollt werden kann. Es gibt in der Welt 4 Milliarden Menschen, die in der von uns so genannten „letzten Meile“ leben: als Kleinproduzenten, Verbraucher, Einwohner. Unser Ziel ist es, zur Verbesserung der Lebensbedingungen von so vielen dieser Personen wie möglich beizutragen, indem wir relevante Organisationen unterstützen, ihre Interaktionen mit den Bewohnern der „letzten Meile“ erfolgreicher, effektiver, und nachhaltiger machen. Das wird uns wohl noch einige Jahre beschäftigen!
Was fasziniert dich am Gründen und was zeichnet für dich ein erfolgreiches Startup aus?
Gründen ist nicht einfach. Aber gerade deshalb ist es so spannend. Das Gefühl zu haben, dass man etwas neues und bedeutsames gestaltet, regt an und hilft, die vielen, vielen, vielen Rückschläge abzufedern und weiter auf das Ziel zuzuhumpeln. Das erfolgreiche Startup ist eben jenes, das noch nicht gestorben ist, und weiter liefert und wächst. Ich glaube, als Gründer sollte man darauf verzichten, sich zu sehr mit anderen Startups zu vergleichen: es wird immer jemanden geben, der schneller und irgendwie erfolgreicher seine Ziele erreicht hat! Vor allem auf verführerische Zahlen wie gesammelte Investitionsmittel würde ich mich nicht fokussieren wollen. Wir werden sehen, wer in fünf Jahren noch am Markt ist!
Welches Erlebnis war bisher das bedeutsamste bei Field Buzz?
Naja, ist klar, oder? Gerade jetzt, wenn wir „Startup of the Month Frankfurt“ von Frankfurt Forward gewonnen haben, natürlich! Vielen Dank, es tut gut!
Aber im Ernst, es ist schwierig, nur einen Moment zu benennen, der der „bedeutsamste“ ist. Es sind so viele kleine Schritte, tagein tagaus, die langfristig den Unterschied machen: jeder neue unterschriebene Vertrag, jede Auszeichnung, jede Neueinstellung, jede coole Produktverbesserung, und vor allem, wenn wir in den Daten sehen, dass die Software immer mehr im Einsatz ist, und wissen, das leistet einen Beitrag, Dinge für Menschen in der „letzten Meile“ besser zu machen.
Besonders wenn wir gerade einen großen Rückschlag hatten – passiert manchmal! – versuche ich ein bisschen Abstand zu gewinnen, und schaue zurück: „Was hat sich bei uns in den letzten sechs Monaten geändert, was war der Stand der Dinge damals?“ Dann bin ich immer erstaunt, wie weit wir doch gekommen sind. Das hilft viel, um sich für einen weiteren Tag aufzurappeln.
Was war deine bisher wichtigste Lesson Learned, die du anderen Gründer mit auf den Weg geben möchtest?
Meiner Meinung nach, sind die „Lean Startup“ Grundsätze sehr wichtig. Man muss am Anfang, mit so wenig Kosten und Bürokratie wie möglich, das passende Produkt für den passenden Markt identifizieren. Die Experimentierphase darf nicht überschritten werden! Das heißt, so schnell wie möglich ein (wahrscheinlich noch sehr mangelhaftes) Pilotprodukt, den berühmten „MVP – Minimum Viable Produkt“, irgendwie auf den Markt bringen, und, basierend auf Zielkundenmeinungen, das Konzept schnell ändern, und wieder auf dem Markt bringen. Irgendwann, nach einigen Versuchsschleifen, stimmt die Chemie, das (immer noch mangelhafte) Produkt hat plötzlich Zugkraft, Zielkunden lasen sich anlocken, das Bauchgefühl ist anders als zuvor. Nur dann macht es Sinn, einen ausführlichen Businessplan zu schreiben und eine Organisation aufzubauen.
Bitte vervollständige folgenden Satz: Frankfurt ist für mich….
…eine weltoffene, führende Metropole die zugleich lebenswert und nicht überdimensioniert ist.
Was zeichnet Frankfurt als Standort für Startups aus?
Ich kann vor allem über die Vorteile sprechen, die es für Startups gibt, die insbesondere auf Märkte in Entwicklungs- und Schwellenländer zielen. In der „EZ“-Branche ist Frankfurt mit Abstand die bedeutsamste Stadt in Deutschland, wo unter anderem die KfW Entwicklungsbank und die GIZ (in Eschborn) ihren Sitz haben. In unserer täglichen Arbeit ist Englisch de facto die vorherrschende Sprache, und interkulturelle Kompetenz ist für uns extrem wichtig. Irgendwie passt das alles mit Frankfurt besonders gut. Die Verkehrsanbindungen, insbesondere der Flughafen mit Direktflügen in alle Regionen der Welt, ist auch ein wichtiger Vorteil.
Gib uns bitte eine Empfehlung für einen Blog / eine Newsseite / ein Fachmagazin, das dich (zu Fachthemen) inspiriert?
Wer Neuheiten in der EZ und im „Last-Mile“ folgen möchte, kann Next Billionoder Devex lesen. Die „Global Development” Berichte von The Guardiansind auch gut.
Mit welchem Experten würdest du am liebsten einen Tag lang zusammenarbeiten, und warum?
Ich würde gerne von dem Gründer einer erfolgreichen Enterprise-Softwarefirma lernen, wie die Skalierung seiner Firma von statten ging, wie bestimmte Entscheidungen getroffen worden sind, insbesondere in den ersten Jahren, und welche konkreten Ratschläge für unsere aktuellen Herausforderungen und Bestrebungen er hätte.
Woran sollen sich die Leser dieses Interviews erinnern?
An das wesentliche: man sollte sich regelmäßig erinnern, freuen und innerlich bedanken, für alle die großen und kleinen guten Personen, Sachen und Erlebnisse die ständig im Leben auf einen zukommen. Und diese Freude mit anderen teilen: einfach nett zueinander sein.